Liebe Wörlitz-Besucher!

Das Städtchen Wörlitz wurde einst das "Venedig Anhalts" genannt. Jährlich zieht es Tausende Menschen hierher auf der Suche nach Erholung, Anregung und Bildung. Die erste urkundliche Erwähnung (1004) fand Wörlitz im Mittelalter. Einige Elemente der heutigen Kirche St. Petri erinnern noch an jene Zeit, in der ein für die Siedlung außergewöhnlich großes Gotteshaus im romanischen Stil errichtet wurde (rundbogiges Südportal mit Säulen, Triumphbogen). Aus dem nahen Wittenberg kommend, predigte hier 1532
Dr. Martin Luther. Als Jagdgebiet hatte die Auenlandschaft von jeher für die Dessauer Fürsten großer Bedeutung, und im 17. Jahrhundert wurde am Seeufer ein Jagdschloss errichtet. Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben sich in der Stadt einige Fachwerkhäuser erhalten (Kirchgasse, Förstergasse, Erdmannsdorffstraße).
Der Entschluss des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817), in Wörlitz ausgedehnte Gartenanlagen nach englischem Vorbild zu schaffen, machte die bis dahin relativ unbedeutende Stadt zu einer Weltangelegenheit. Den landschaftlichen Gartenstil lernte der Fürst in England kennen und gestaltete nach diesem Vorbild das gesamte kleine Land Anhalt-Dessau zu einem "Gartenreich".
Wörlitz wurde das Gestaltungszentrum, hier entfalteten sich die gartenkünstlerischen und architektonischen Schöpfungen jener Zeit besonders reich. Durch die Ideen der Aufklärung aufgerufen, die Verhältnisse im Lande zu verbessern, verschafften sich Fürst Franz und sein Architektenfreund Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) Anregungen auf Bildungsreisen durch England, Holland, Italien, Frankreich und die Schweiz.
Wollen Sie sich möglichst schnell einen Überblick über die reizvollen Englischen Anlagen von Wörlitz verschaffen, so steht eine Gondel für eine Wasserfahrt in der Nähe des historischen Gasthofs "Eichenkranz" (hier beherbergte der Fürst viele seiner Gäste) bereit. Das Gewässer des Wörlitzer Sees ist ein wichtiges Gestaltungselement bei der Anlage des Gartens gewesen. Ufer wurden mitunter künstlerisch gestaltet und Kanäle angelegt. Die Hochwasser der Elbe erforderten die Anlegung von Schutzwällen; 1771 brach an zwei Stellen nördlich von Wörlitz der Wall. Die bis dahin geschaffenen Gartenanlagen wurden fast völlig zerstört; das Hochwasser flutete bis kurz vor Oranienbaum (Prinzenstein). An den Bruchstellen entstanden zwei gewaltige Ausspülungen: das Große und das Kleine Walloch. In Holland geschulte Fachleute verbesserten im Auftrage des Fürsten den Elbdeich, der fortan die Gartenanlagen und den Wörlitzer Winkel zuverlässig schützte.

Nach wenigen Minuten Gondelfahrt eröffnet sich dem Betrachter zunächst die gesamte Ausdehnung des Wörlitzer Sees. Schon bald aber blickt man durch regelmäßige Lindenalleen, die Bestandteil einer alten Parkanlage in der Umgebung des Jagdschlosses gewesen sind, auf die eindrucksvolle Säulenfassade des Englischen Landhauses. Hier fanden die ersten "englischen" Gartenarbeiten im Schlossgarten statt und wurden im Verlaufe von etwa vier Jahrzehnten um die Teile Neumarks Garten, Schochs Garten, Garten auf dem Weidenheger und die Neuen Anlagen erweitert.
Nach Plänen Erdmannsdorffs entstand der Gründungsbau des deutschen Klassizismus, das Englische Landhaus zu Wörlitz, von 1769 bis 1773. Die klaren Formen des Baues im Äußeren und im Inneren entsprachen in ihrer Hinwendung zur Antike bereits dem sich ankündigenden bürgerlichen Geschmack. Das Haus birgt eine kostbare Sammlung an Gemälden, Skulpturen, Möbeln und Keramik aus der Entstehungszeit.
Ständig wechseln die Gartenbilder, die Synagoge wird am Seeufer sichtbar, in beträchtlicher Entfernung die Inselanlage "Stein". Unter Brücken hindurch gleitet die Gondel in das Kleine Walloch mit dem "Monument" und dem "Venustempel". Endlich wird die berühmte "Kettenbrücke" sichtbar, kurz darauf der "Floratempel". Schon ist das "Gotische Haus" erreicht, die zauberhafte Kanalfassade, die einer venezianischen Kirche nachgestaltet wurde, erschließt sich dem Betrachter. Das "Gotische Haus" beherbergt neben einer bedeutenden Sammlung mittelalterlicher Gemälde in den Fenstern eine bedeutende Sammlung schweizerischer Glasmalerei.
Im späten Frühjahr sind die blühenden Azaleen und Rhododendren in der Umgebung des "Gotischen Hauses" besonders prächtig. Hat man die Roseninsel passiert, ist die Gondel bald an der Anlegestelle angelangt.
Die Wörlitzer Anlagen lassen sich mit reizvollen Spaziergängen erschließen, hierbei ergeben sich teilweise ganz neue Eindrücke. Erlebbar werden so die vielen Sichtbeziehungen, die den Garten durchziehen und die einzelnen Teile zu einem Ganzen verbinden. Sie führen den Blick des Besuchers auf malerische Szenen, Bauwerke, aber auch auf Ackerflächen, die schon immer Bestandteil des Kunstwerkes gewesen sind. So verwundert es
nicht, dass auch ein ehemaliger fürstlicher Gutshof in die Gartengestaltung einbezogen wurde. In seiner Nähe befindet sich der durch den Fürsten Franz angelegte Friedhof mit seinen Aufseherhäuschen Auch das klassizistische Rathaus und der Marktplatz berühren wieder den Garten, der gegenüber der Stadt und umgebender Landschaft nirgendwo abgegrenzt ist. Umfangreiche Angebote an touristischen Leistungen und fachlichen Bildungsmöglichkeiten stehen in Wörlitz zu Ihrer Verfügung.

U. Quilitzsch